Urban Kohler
In Olten werden wieder die Tischtennis-Kantonsmeisterschaften durchgeführt
Die Präsentation von Joelle Wagner stiess am Morgen der Maturaarbeitspräsentationen auf grosses Interesse.
Bild: da
Joelle Wagner aus Hägendorf ging für ihre Maturaarbeit der Frage nach, was eigentlich genau hinter dem Klischee steckt, dass Mädchen schlecht in Mathe seien. Dabei gelangte sie zur Erkenntnis, dass insbesondere auf Stufe Primarschule mehr getan werden müsste, um das weibliche Geschlecht für das Fach zu begeistern.
Hägendorf «Wie viele Mädchen oder Frauen aus Ihrem Umfeld sagen von sich aus: ‹Ich mag das Fach Mathematik, Physik oder Informatik und will in diese Richtung meine akademische Ausbildung erweitern?», warf Joelle Wagner zu Beginn ihrer Maturaarbeitspräsentation rhetorisch in die Runde des aufgrund des spannenden Themas übervollen Schulzimmers.
Wagner selbst kann diesbezüglich aus eigener Erfahrung sprechen. Ihr Schwerpunktfach an der Kanti ist «Physik und Anwendung der Mathematik». Dieses werde in Olten gerade mal von 11,1 Prozent aller Kantigänger gewählt. Davon sei sich wiederum nur ein Viertel Frauen. Und auch der Frauenanteil der Uni-Studierenden eines sogenannten MINT-Fachs, was für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik steht, sei in der Schweiz mit 34,5 Prozent sehr gering (bei Nicht-MINT-Fächern beträgt der Frauenanteil fast 60 %). Wo also liegt die Wurzel dieser Geschlechterdiskrepanz begraben?
Den ersten Kontakt mit der Mathematik hatte Joelle Wagner in der Primarschule. Daher war der Entschluss schnell gefasst, für die Maturaarbeit diese Schulstufe etwas genauer nach der unterschiedlichen Interessensverteilung der Geschlechter bezüglich der Mathematik unter die Lupe zu nehmen. Nebst Experteninterviews führte sie dazu eine Umfrage in der Primarschule Hägendorf mit 124 Dritt- und Viertklässlern durch. Aus den Interviews ging mitunter hervor, dass ein Kind, das von Beginn weg schlechte Erfahrungen mit der Mathematik sammelt, ein Vermeidungsverhalten entwickeln könne. Dies bedeute wiederum, dass sich die Arbeitsprozesse nicht automatisieren können, wenn die Rechenaufgaben nicht gelöst werden.
Bei der durchgeführten Umfrage stellte sich jedoch erstaunlicherweise heraus, dass gleich viele Mädchen wie Knaben – 66 Prozent – angaben, dass sie das Fach Mathematik mögen. Jedoch hatten 37 Prozent der Mädchen angegeben, sie seien in diesem Fach schlecht bis durchschnittlich, während es bei dem Knaben nur 26 Prozent waren. Studien hätten gezeigt, dass Mädchen bei Stresssituationen öfter Depressionen und Angststörungen ausgesetzt sind, während Knaben eher mit Gewaltausbrüchen und Aggressivität reagieren. Entsprechend seien Mädchen auch prädestinierter dafür, an «Mathematikangst» zu leiden, was zu einem Interessensverlust am Fach führen könne. Da die Primarschule auf einem sehr leistungsorientierten System basiere – der Blick zum Banknachbarn genügt bereits, um zu erfahren, ob man eine Aufgabe richtig gelöst hat – könne dies weiter zurückschreckend wirken. Hinzu kommt, dass Mädchen eher dazu tendieren würden, sich zu unterschätzen.
Wie lässt sich also das Umfeld so gestalten, damit sich die Mathematikangst reduzieren lässt? Gemäss Joelle Wagner spielen dabei die Gruppendynamiken sowie die Identifikationsfiguren, sprich Lehrpersonen, eine wichtige Rolle. Denn wenn Mädchen Interesse für die Fächer Mathematik, Physik oder Informatik bekunden, könne es passieren, dass sie besagte Interessen unterdrücken, um nicht von einer Gruppe mit anderen Interessen ausgeschlossen zu werden. Wenn sich Lehrpersonen (insbesondere weibliche) zusätzlich mit veralteten Rollenbildern zur Mathematik äussern, könne dies weiter dazu führen, dass Mädchen dieses Verhalten spiegeln. Angesichts der Feststellung, dass gemäss Joelle Wagners Recherchen 95 Prozent der 1.- und 2.-Klass-Lehrpersonen Frauen sind, ein durchaus bestehendes Risiko.
All diese genannten Faktoren können schlussendlich eine Abwärtsspirale bilden. Daher möchte Wagner die betroffenen Lehrpersonen auffordern, ihr Verhalten zu ändern und sich bewusst zu werden, was für einen prägenden Einfluss sie auf die Kinder haben. Durch den derzeit stattfindenden Wandel der Rollenbilder in der Gesellschaft ist die 19-Jährige jedoch guter Dinge, dass sich in Zukunft die Schere der Interessensverteilung bei den Geschlechtern, insbesondere auch in der Mathematik, schliessen kann.
David Annaheim
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