«Die Natur bestimmt den Rhythmus»
Das Seglerpaar Helen Heutschi und Hansueli Schwaninger erzählt
Die Welt sehen, neue Länder und Kulturen kennenlernen – für viele ein langgehegter Traum, für Helen Heutschi und Hansueli Schwaninger seit Juni 2015 Realität: Nach der Pensionierung starteten sie in ein Abenteuer und reisen seither mit dem Segelboot auf den Weltmeeren.
Oensingen «Seit 20 Jahren besassen wir die Lizenz zum Hochseesegeln auf allen Weltmeeren. Jährlich verbrachten wir einige Wochen auf dem Meer in ganz unterschiedlichen europäischen Gewässern», erinnert sich Helen Heutschi an die Zeit vor ihrem grossen Abenteuer zurück. Der Wunsch, nach der Pensionierung mit 62 etwas von der Welt zu sehen und etwas komplett anderes zu machen, liess sie und ihren Partner Hansueli Schwaninger lang Pläne schmieden und das Reisen vorbereiten. Anfang Juni 2015 war es dann soweit: Im niederländischen Makkum liess das Paar die Leinen los – wann und wo es nach seinem Abenteuer wieder Fuss fasst, weiss es noch nicht. «Unser Kredo ist nicht, um die Welt zu segeln, sondern wir reisen mit dem Segelboot», kommentiert Hansueli Schwaninger.
Nach wie vor in der Schweiz angemeldet
Helen Heutschi ist in Balsthal geboren und aufgewachsen. Nach etlichen Lehr- und Wanderjahren kam sie 1994 in die Region nach Oensingen zurück, wo sie sukzessive «Das Kind im Zentrum», ein interdisziplinäres Therapiezentrum für Kinder und Jugendliche mit besonderem Bedarf, aufgebaut hat. Ihr Partner Hansueli Schwaninger stammt gebürtig aus dem thurgauischen Diessenhofen; während 25 Jahren verbrachte er dann die Wochenenden jeweils bei Helen Heutschi in Oensingen. In der Schweiz sind die beiden übrigens nach wie vor angemeldet: «Wir teilen den Wohnsitz mit meiner Schwester und haben die Krankenkasse beibehalten», erklärt Helen Heutschi.
Routenplanung
Ihre Route planen Helen Heutschi und Hansueli Schwaninger nach für sie interessanten Orten, nach dem globalen Wetter sowie zu welcher Jahreszeit das vorgesehene Gebiet überhaupt besegelt werden kann. «Im Golf von Kalifornien können wir zwischen November und Ende April segeln, zwischen Mai und Oktober besteht hingegen die Gefahr von Stürmen und Hurrikans», nennt Hansueli Schwaninger ein Beispiel. Ein vertrauenswürdiges hochseetaugliches Segelboot sei überdies das A und O, betont das Paar. «Die Kosten dafür sind sehr unterschiedlich. Wir haben im Zuge dessen unser Haus verkauft», so Helen Heutschi. Denn die laufenden Kosten müssten der Rente angepasst werden. Dabei gebe es riesige Unterschiede – von sehr kleinem bis zu grossem Budget.
Herausforderungen auf See
24 Länder hat das Paar bis dato mit dem Segelboot besucht; in der Regel verbringen Helen Heutschi und Hansueli Schwaninger zudem einige Wochen pro Jahr in der Schweiz. «Der letzte Winter stellte coronabedingt eine Ausnahme dar», sagt Helen Heutschi. Normalerweise planen die beiden etwa für ein Jahr im Voraus ihre Route. Unterwegs holen sie des Weiteren täglich die Wetterdaten über das Satellitentelefon und passen entsprechend die Route kurzfristig an. «Lange Überfahrten wie etwa jene von Ecuador nach Hawaii, welche 40 Tage dauert, benötigen weiterhin einerseits genügend Proviant, andererseits die Bereitschaft sich während dieser Zeit auf einen 24-Stunden-Schichtbetrieb einzulassen», spricht Hansueli Schwaninger weitere Herausforderungen auf See an. Des Weiteren müsse die bestmögliche Sicherheit über medizinische und technische Mittel gewährleistet sein – und auch das notwendige Anwendungswissen dazu müsse wohlgemerkt sitzen.
Konventionen des jeweiligen Landes respektieren
«Wer vor der Abreise alles perfekt haben möchte, der bleibt zu Hause», hält das Paar kategorisch fest. Genaue Reisepläne seien kaum realistisch. «Beim Reisen mit einem Segelboot ist die Wetterabhängigkeit gross und die Natur bestimmt den Rhythmus», sagt Helen Heutschi. Unterwegs sein mit einem Segelboot bedeute immer auch langsames Reisen – dessen müsse man sich ebenfalls bewusst sein. Welche Tipps würden sie Leuten mitgeben, die ein ähnliches Abenteuer wagen möchten? «Es gilt die Konventionen des jeweiligen Landes zu respektieren», so Hansueli Schwaninger. Schliesslich sei man ausserhalb der Schweiz in jedem Land Gast, was man ernst nehmen müsse. «Reist man als Paar, ist die Beziehungsebene nicht zu unterschätzen», ergänzt Helen Heutschi. Nicht alles sei immer «wunderbar»; die persönliche Balance sei von tragender Bedeutung. Ebenfalls nicht zu unterschätzen: In einem Zweierteam müsse jede Person das Schiff im Ernstfall alleine navigieren können; man müsse sich voll auf die andere Person verlassen können.
«Jede Region hat ihren speziellen Reiz»
«Schottland, Alaska, Mexiko, Santa Cruz de Tenerife, Ushuaia und San Francisco», antwortet Helen Heutschi abschliessend auf die Frage, welche Orte ihr bis jetzt am besten gefallen haben und deren Besuch sie weiterempfehlen würde. Hansueli Schwaninger hat hingegen keine besonderen Favoriten: «Jede Region der Erde hat ihren speziellen Reiz; ich kann keine Präferenz erstellen. Mal ist es die karge Landschaft, mal die reiche Tierwelt – oder die Leute, denen man begegnet.»
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Text Lars Gabriel Meier