Sie nennt die Dinge beim Namen
Die Oltner Autorin Rebekka Salm über ihren Erstlingsroman
Ein Dorf, seine Einwohner und deren Blickwinkel auf ein einzelnes Ereignis: Rebekka Salms Debütroman «Die Dinge beim Namen» erzählt eine Geschichte – und gleichzeitig die Geschichten, die darüber erzählt werden. Warum der Roman ursprünglich einen anderen Titel tragen sollte, was ein erfolgreicher Oltner Schriftsteller damit zu tun hat und ob die Autorin bereits Ideen für einen zweiten Roman hat.
Olten «Rebekka Salm liest aus ihrem Debütroman ‹Vollenweiders ausgestopfter Hirschkopf›», ist zum Zeitpunkt unseres Interviews mit der Oltner Autorin an verschiedenen Stellen im Internet zu lesen. Dabei trägt das Buch, das während des Gesprächs auf dem Tisch liegt und Gegenstand des Treffens ist, einen anderen Titel: «Die Dinge beim Namen». Wie kommt’s? «‹Vollenweiders ausgestopfter Hirschkopf› war der ursprünglich vorgesehene Titel», klärt Rebekka Salm auf. «Nachdem der Roman bereits das Lektorat durchlaufen hat, wurden mehrere Autoren für einen Blurb (Anm. d. Red.: Empfehlung des Romans durch eine weitere Person auf dem Buchrücken) angefragt. Alex Capus hat sich bereit dafür erklärt und sich zudem sehr in meinen Roman reingekniet und konstruktives Feedback gegeben, wofür ich ihm sehr dankbar bin.» Als der «Léon und Louise»-Autor dann das letzte Mal einen Besuch beim Oltner Knapp-Verlag abgestattet hat, habe er noch einen Einwand bezüglich des Titels gemacht: «Die grosse Mehrheit an Büchern wird von Frauen gekauft, und er hat gemeint, dass der Titel zu männlich wirken könnte», ergänzt die 42-Jährige. Und so kam es, dass aus «Vollenweiders ausgestopfter Hirschkopf» letztlich «Die Dinge beim Namen» wurde. «Ich hätte aber natürlich ein Veto einlegen können, wenn mir der Titel gar nicht gefallen hätte», betont Rebekka Salm schmunzelnd.
Ein Roman aus Kurzgeschichten
Das Schreiben habe sie schon immer begleitet, erzählt Rebekka Salm, die als Teenager einen ersten Schreibwettbewerb in Basel gewonnen hat. «Es hat schon immer zu mir gehört, hatte aber nicht immer diesen grossen Stellenwert», so die Autorin. 2019, sechs Jahre nach ihrem Umzug von Basel in die Dreitannenstadt, wurde Rebekka Salm von einer Freundin auf den Schreibwettbewerb des 3. Buchfestivals Olten aufmerksam gemacht, an dem sie daraufhin teilnahm – und gewann: Ihre Kurzgeschichte «d’ Eggsfrau» wurde zum Supertext gekürt und ist inzwischen ebenfalls als Hörstation auf dem Schweizer Schriftstellerweg zu hören. Der Sieg des Schreibwettbewerbs sei zwar eine Bestätigung für sie gewesen, doch das Schreiben eines Romans habe sie sich deswegen keineswegs sofort zugetraut, so die Mutter einer Tochter weiter. Später sei dann eine erste Kurzgeschichte rund um einen Dörfler namens Vollenweider entstanden: «Ich hatte einfach Lust darauf, Menschen aus dem Dorf zu erfinden und auf Papier zu bringen. Dabei kam ich auf die Idee, eine Handlung aus mehreren Blickwinkeln zu erzählen, weshalb der Roman nun aus zwölf Kurzgeschichten besteht, die aber alle eng miteinander verwoben sind», erklärt die Autorin, die selbst in einem Baselbieter Dorf aufgewachsen ist.
Motive des Romans
Nach den tragenden Motiven des Romans gefragt, antwortet die Autorin: «Vieles dreht sich um Kommunikation und um Fragen wie: Mit wem kommuniziert man? Worüber spricht; worüber schweigt man? Mit wem spricht man nicht, obwohl man es hätte tun sollen?» Das dörfliche Milieu, in dem die Handlung angelegt ist, zeige zwar vieles überspitzt, wie beispielsweise die Geschlechterverhältnisse oder auch das Ausmass, in dem übereinander geredet wird, räumt die Autorin ein. Dadurch, dass das Ereignis, um das sich die zwölf Geschichten drehen, in den 1980er-Jahren angesiedelt ist, spiele zudem der zeitliche Faktor eine Rolle: «Es wird deutlich, dass unser Blick auf etwas nicht alleine durch die Gesellschaft, sondern auch durch die Zeit geprägt wird.» Was für uns Wahrheit ist und woraus wir diese konstruieren, seien somit weitere Fragen, die der Roman aufwirft und zum Nachdenken anregen.
Ausblick
Sie arbeite bereits an einem zweiten Roman, verrät Rebekka Salm zum Schluss. Dieser werde sich aber eher in eine andere Richtung als «Die Dinge beim Namen» bewegen. «Das Motiv der Kommunikation wird aber sicher wieder eine tragende Rolle einnehmen», so die Autorin. «Und welche Folgen es haben kann, wenn man sich dafür entscheidet, zu schweigen.»
Text Lars Gabriel Meier